Flensburg-City: Der Schuh drückt!
Gunnar Dommasch Altstadt Geschäfte schließen früher – Sperrung im Parkhaus Holmpassage.
Samstag, 10 Uhr. Die beiden Paare kommen mit dem Auto vom Land in die große Stadt. Ein Parkplatz – kein Problem. Fängt gut an, denken sich die potenziellen Kunden, freudig bewegt: Flensburg liebt dich! Und machen sich auf zur fröhlichen Shopping-Tour quer durch die Fußgängerzone.
In der Großen Straße – ihr erstes Ziel – stehen sie vor verschlossener Tür. Nanu? Das Geschäft öffnet neuerdings erst um 11 Uhr seine Türen. Leicht genervt ziehen sie weiter, Richtung Holm. Dort hält man sich immerhin weitgehend an die Kernöffnungszeiten von 10 bis 18 Uhr.
Zwei Tage später. Eine ältere Dame ist am Nachmittag mit ihrer Freundin von der Westküste angereist. Ihr erster Anlaufpunkt zum Zwecke eines Batteriewechsels entpuppt sich als Enttäuschung: montags geschlossen. Ein paar Meter weiter ist auch schon Feierabend. „Aufgrund der aktuellen Lage haben wir unsere Öffnungszeiten geändert“, steht dort geschrieben. Um 16 Uhr ist Schicht. Zum Troste: „Natürlich liefern wir Ihnen die Ware auch gerne bis an die Haustür.“
Das lässt sich im Reisebüro nicht so einfach realisieren. Dort wartet eine einzige Mitarbeiterin auf Urlaubswillige – doch niemand will. „So ein Tag ist die reinste Folter“, entfährt es ihr. Der Schuhverkäuferin geht es nicht anders. Sie kann ihre Kunden an einer Hand abzählen. Aber wer kommt auch schon nach Feierabend in die Innenstadt, um im schlechtesten Fall tatenlos wieder umkehren zu müssen? Das Internet liefert nicht immer aktualisierte Informationen. „Unwägbarkeiten aber treiben selbst die treuesten, die letzten Käufer aus der Stadt“, sagt Jens Drews, Vorsitzender der Flensburger Gilde. Allein 15 Geschäfte in der Großen Straße, zählt er vor, haben ihre Öffnungszeiten verkürzt. Mit einer Spur Verständnis, „da man stundenlang einsam im Laden sitzt und keiner kommt“ – aber letztlich „mangelt es an Solidarität“. Frustriert stellt er fest: „So langsam resignieren wir hier alle.“
Wen wundert’s? Die schleichende Verödung der Innenstadt, durch grassierenden Leerstand schon lange dokumentiert, nimmt immer dramatischere Formen an. Das bleibt auch der IHK nicht verborgen. „Es ist ein Problem, aber nicht zu ändern“, sagt fatalistisch Jonathan Seiffert, Referent für Standortfragen. Er wirbt um Verständnis, wenn im Einzelfall die Öffnungszeiten reduziert werden. „Das ist für den Standort Flensburg nicht positiv, aber jedem selbst überlassen.“ So bleibt ihm nichts anderes übrig, als an das Gemeinschaftsgefühl der Geschäftsleute zu appellieren.
Zu allem Überfluss: Schon bald wird in der City weniger Parkraum zur Verfügung stehen. Rebecca N. hat einen Platz im Parkhaus Holmpassage gemietet. Nun gibt es Post vom Betreiber. Ihr werde, heißt es, zum 31.12. gekündigt, da „dringende Sanierungsarbeiten“ (Korrosion von Bauteilen) bei laufendem Betrieb nicht möglich seien. Wie lange werden die Arbeiten andauern? Verwalter von Passage und Parkhaus ist die Corestate Capital Group. Weder von der Seite noch vom Center-Management war gestern eine Auskunft zu erhalten.
Foto: Gunnar Dommasch
Quelle: Flensburger Tageblatt, 27. November 2020