Wird die Innenstadt benachteiligt?
Julian Heldt Flensburg Die Kaufmannschaft und Gastronomie zeigen sich geschlossen. Die Interessensgemeinschaften Flensburger Gilde, Flensgefühl, Rote Straße und City Flensburg haben bis in die Nacht getagt und die aktuelle Situation der Innenstadt nach dem Corona-Lock-Down bewertet.
Das Fazit fällt durchwachsen aus. „Die Kundenfrequenzen der Innenstädte nehmen bundes- ja sogar europaweit ab. Der kunterbunte Wettbewerb im Netz und auf der grünen Wiese nimmt stetig zu“, heißt es in der von Ulf von Finthel (Peek&Cloppenburg) unterzeichneten Mitteilung. Man habe sich gemeinsam mit Dr. Jerome Stuck von der IHK auf ein abgestimmtes und engagiertes Handeln verständigt. Kritik üben die Interessensgemeinschaften an vermeintlichen Ratgebern, die wüssten, wie man die Innenstadt zukunftsfest machen könnte.
„Das qualifizierte Topmanagement auf den Sofas der Republik weiß natürlich, was zu tun ist. Man müsste nur mehr Individualität, weniger Filialisten, bessere Sortimente oder ähnlich einfache Dinge einleiten, dann wäre alles wieder gut. Warum und weshalb diese einfachen Lösungen europaweit nicht angewandt werden, mag vor allem daran liegen, dass kurze und einfache Antworten populistisch greifbar, aber in der komplexen Praxis wenig anwendbar sind“, erklären die Interessensgemeinschaften.
Ein Aspekt, der die Frequenzverluste in der Innenstadt forciert hat, ist aus Sicht der Kaufleute die Ausweitung und Erhöhung der Parkgebühren. „Wer früher vor oder zum Feierabend kurz stoppte, um einen schnellen Einkauf zu tätigen, konnte dies früher meist tun, ohne Parkgebühren entrichten zu müssen. Jetzt werden Kunden mit ausgedehnten Parkgebühren von 8 bis 20 Uhr konfrontiert und die ,Brötchentaste’ die 15-Park-Freiminuten ermöglichte, wurde erst begeistert eingeführt und dann deutlich weniger öffentlichkeitswirksam abgeschafft“, so die Interessensgemeinschaften. Die Parkgebühren waren in Flensburg zuletzt von 50 auf 75 Cent je halbe Stunde gestiegen. Der Bewirtschaftungszeitraum wurde zudem flächendeckend auf 20 Uhr ausgeweitet. Die nächste Erhöhung der Parkgebühren ist für das kommende Jahr geplant. Dann ist eine Erhöhung um weitere zehn Cent je halbe Stunde geplant. Die Stadtverwaltung wollte diese Erhöhung ursprünglich auf den 1. Juli 2020 vorziehen, scheiterte mit diesem Vorstoß jedoch in der Ratsversammlung.
„Die direkte Konkurrenz der Innenstadt hat keine Parkgebühren und generell weniger mit Erreichbarkeitsproblemen zu kämpfen. Dem Kunden, der es heutzutage gern bequem und schnell mag, wurde die Wahl seiner Einkaufsstätten leicht gemacht – leider zu Ungunsten der Innenstadt“, erklären die Interessensgemeinschaften. Sie sehen sich im Wettbewerb mit dem Online-Handel und den großen Shoppingcentern auf der grüne Wiese benachteiligt. Beim Citti-Park oder Förde-Park werden keine Parkgebühren erhoben. Die Kaufleute sehen ihr Engagement zudem an mancher Stelle ausgebremst. Sie nennen in diesem Zusammenhang Aktivitäten wie Kinderschminken, Musikbands oder Clowns, die mit Sondernutzungsgebühren belegt würden. „Ein weiterer Aspekt ist unser Tor zur Innenstadt – der Südermarkt. Er wird seit 20 Jahren, leider nur in der Theorie, modernisiert und wird an der ein oder anderen Stelle von einer Szene dominiert, die ein erhebendes Einkaufsgefühl nicht aufkommen lässt.“
Die Kaufmannschaft will nun auf die Verwaltung und Ratsfraktionen zugehen, um mit ihnen „Handlungsansätze im Bereich Marketing, Citymanagement, Verkehrsoptimierung und Kundschaftsorientierung zu diskutieren“. Sie betont in diesem Zusammenhang auch die konstruktive Zusammenarbeit mit der Stadt Flensburg bei verkaufsoffenen Sonntagen und lobt die Bemühungen der Verwaltungsspitze für einen Verbleib der Karstadt-Filiale in Flensburg – auch wenn diese am Ende nicht erfolgreich waren.
„Offenkundig ist auch, dass perfekt umgesetzte, extrem kundenorientierte Konzepte und Systeme, die nicht zu stark von einer hohen Frequenz abhängig sind, auch nach Corona noch gut funktionieren.“ Die Innenstadt sei durch die Norderstraße, Große Straße, den Holm und die Rote Straße sehr facettenreich.
Foto: Michael Staudt