Die Geisterbaustelle
Neun Tage lang wird ein Bürgersteig in Flensburg für Leitungsarbeiten der Telekom gesperrt – Anlieger kritisieren Untätigkeit
Plötzlich wurde der Bürgersteig an der Rathausstraße für Bauarbeiten gesperrt. Fußgänger mussten die Straßenseite wechseln.
Von Gunnar Dommasch
FLENSBURG Schilda istüberall. Nicht selten auch in Flensburg. In dieser Stadt treibt das „Baustellen-Management“ die seltsamsten Blüten. Unlängst erst in der Rathausstraße. Neun Tage lang sah hier alles nach einer Baustelle aus. „Doch niemand kam, um zu arbeiten“, kritisieren Anlieger. Erst auf derenDruckwurde der ganze Zinnober wieder abgebaut. Die ausführendeFirmawehrt sich. Die Arbeiten, so ihr Argument, hätten witterungsbedingt nicht fortgeführt werden können.
Am Mittwoch vor zweiWochen tauchen plötzlich Arbeiter an der Rathausstraße auf. Sie eröffnen besagte Baustelle. Ohne Ankündigung. Mit rot-weißen Absperrbaken, SchildernWarnleuchten und allem, was dazu gehört. Der Bürgersteig vom Theater bis hinunter zur Fußgängerzone wird gesperrt.
Mittendrin: der Fotoladen von Udo Fischer. Der wird ganz blass, steigt doch unmittelbar eine Erinnerung an eine Sperrung aus dem letzten Jahr auf, als der Zugang zum Förde-Fotografen wegen Straßenbauarbeiten dreieinhalb Monate lang erschwert wurde und erhebliche Umsatzeinbußen nach sich zog. „In solchen Fällen bricht die Laufkundschaft um etwa zwei Drittel weg“, sagt Udo Fischer. Und seine Frau Maike ergänzt: „Auch diesmal gab es keinen barrierefreien Zugang zu unserem Geschäft.“ Auf Nachfrage bringt das Ehepaar in Erfahrung, dass die Telekom beabsichtige, Arbeiten an ihren Leitungen durchzuführen – doch leider könne man erst am Montag damit beginnen.
Am Montag indes passiert . . . nichts. Still ruht die Baustelle. Wie schon an den Tagen zuvor. Am Dienstag ebenfalls. Immerhin kommt von der ausführenden Firma denHinweis, dassmanArbeiten an der Speicherlinie vorziehen müsse.
Die Absperrung indes bleibt stehen. „Diehabeneinfach alles liegengelassen“, ärgert sich Udo Fischer. Der Fotograf nimmt’s mit Fassung. Doch er tritt auchinAktion. Startet via Facebook eine „Ich-bin-noch-da-Aktion“: Liebe Leute, mein Studio ist offen! Stellt eineChronologie der Ereignisse ins Netz. „Nun ist die Rathausstraße 20 ein Zwischenlager geworden.“
Er erhält Beistand von der Flensburger Gilde, die das Malheur im Internet weiter verbreitet. Es gibt Unterstützung von Ratsherr Arne Rüstemeier, auch die IHK sagt ihre Hilfe zu. Maike Fischer schaltet dieVerkehrsbehörde ein. Die veranlasst laut TBZSprecher Geoffrey Warlies schließlich, dass die Baustelle am Freitag, nach neun Tagen also, wieder zurückgebaut werden muss.
„Ich bin so penetrant aufgetreten, bis keiner mehr gemuckt hat und der Bürgersteig frei war.“
Maike Fischer, Beirat der Flensburger Gilde
Pascal Bahr ist Geschäftsleiter der Firma Lausen Fernmeldetechnik (Sörup), die mit den Arbeiten im Rahmen einer verkehrsrechtlichen Anordnung tätig geworden ist. Er sagt: „Es handelt sich in der Rathausstraße umeine Gefahrenzone, in der tagsüber nicht gearbeitet werden darf.“ Gleich zu Beginn habe man deshalb in zweiNächten Rohranlagenfreigelegt.Dann habe dieWitterung den Fortgang verhindert. „Aufgrund des Regens lief die Baugrube vollWasser“, erläutertPascal Bahr.Der Boden sei so feucht geworden, dass eine Verdichtung und Pflasterung nicht möglich gewesen sei. „Wir haben die Baustelle geräumt, um den aufgebrachten Anwohner zu beruhigen.“
Zunächst habe man den Rückbau nur halbherzig umsetzen wollen, ärgert sich dennoch Maike Fischer. „Alles ein bisschen beiseite räumen“, schildert sie. „Doch da bin ich ganz penetrant aufgetreten, so lange, bis der Bürgersteig geräumt war.“
Für sie ist die Angelegenheit ein Lehrstück dafür, dass man durch geballten Protest auch etwas erreichen könne. „Das war ein klarer Auflagenverstoß!“, schimpft die Geschäftsfrau. Man kann nicht aufbauen und dann einfach wieder verschwinden!“ War dies der letzte Akt des Lehrstücks? Mitnichten. „Wir werden die Arbeiten wieder aufnehmen“, kündigt Pasca Bahr an, „sobald die Witterung dies zulässt.“
"Die Geisterbaustellen“ – sh:z / Flensburger Tageblatt vom 26. Oktober 2019
Text: Gunnar Dommasch – Fotos: Gunnar Dommasch und Förde-Fotograf Fischer GmbH